Quantcast
Channel: Garbers Gazette » Fachkräftemangel
Viewing all articles
Browse latest Browse all 2

Haarige Bewerbungen (by a very special guest)

$
0
0

“Bewerben heißt für sich werben”, lautet meist die in Sahne gelaserte Regel als  i-Tüpfelchen entsprechender Seminare. Heute verlangt das Finesse von Kandidaten genauso  wie von Firmen. Denn der (Bewerber-)Markt scheint sich neu zu erfinden wie man so schön blöd sagt, die technischen Möglichkeiten machen gefühlt “Buh!” für unsereins und schließlich kommen bei anspruchsvoller Eigenvermarktung nur noch die Harten in den Garten.

Denn spätestens, seitdem Firmen händeringend qualifizierte Fachkräfte suchen, die sich freiwillig als angestellte Anfänger versklaven lassen, und seitdem umgekehrt jedes Aschenbrödel sofort als Supermodel und jeder aalglatte BWL-Absolvent gleich als Manager mit Milliarden-Verantwortung in den Beruf einsteigen wollen, ja spätestens seitdem bedeutet die Ausgestaltung der o.g. Seminar-Regel vor allem “Butter bei die Fische!”

So wie meine aufstrebende Kollegin Anne-Kathrin Keller es praktiziert. Sie jagt alten Hasen wie mir Angst ein allein mit ihrer Praktikaliste im Lebenslauf. Sie hat schon in der Ausbildung mit einer lesenswerten Analyse zum aktuellen Stand im Kirchenmarketing ein beachtliches Frühwerk vorgelegt. Ihr habe ich mit “Philipp Valerius Gottfried Bacher” (PVGB!) die Vorstellung einer neuen Lieblingsmarke mit Ekelgeschmack zu verdanken. Und weil guter Nachwuchs gefördert gehört, überlasse ich heute an dieser Stelle gerne meiner jungen, schlauen Charlize Theron des Journalismus als “very special guest” das Wort als quasi Bewerbungsschreiben in eigener Sache (Abwerbeversuche bitte zur Prüfung über t.garber@fachverlag.de):

Schnurrbärte sind peinlich, uncool und definitiv nicht sexy. Da hilft es auch nicht, dass sich zuletzt George Clooney und Brad Pitt für die Rückkehr des Fossils der 70er und 80er Jahre eingesetzt haben. Träger von Rotzbremsen oder Pornobalken – wie die Dinger zu Recht genannt werden – outen sich automatisch als stillos und seltsam. Da der erste Eindruck bekanntlich zählt, sind Schnurrbartträger auch beim schnellen Blick von Recruitern und Personalern aufs Bewerbungsfoto schnell mal außen vor.  

Umso cooler ist die Bewerbungsstrategie von Matthew Epstein. Seine Qualifikation für seinen Traumjob beim Internetgiganten Google beschreibt er mit: „Hallo Google. Ich habe einen Schnurrbart – also verdiene ich den Job. Ich möchte euer Team für Produktmarketing verstärken. Dringend.“

Matthew Epstein ist Uniabsolvent, hat einen Sack voll Schulden und will unbedingt für Google arbeiten. Weil er auf seine herkömmlichen Bewerbungen keine Antwort bekam, macht er sich selbst zur Marke, klebt er sich einen Schnurrbart an, lässt die Hosen runter, dreht ein Bewerbungsvideo und stellte es ins Netz:

Über eine Millionen Menschen haben das Video inzwischen gesehen, zahlreiche Jobangebote gingen bei Epstein ein. Gleichzeitig ruft er seine eigene Website ins Leben: googlepleasehire.me

Gerade die Welt der schnelllebigen Internetfirmen, die mit extremen Wachstumsraten beginnen und dann doch häufig wieder verschwinden, übt eine unglaubliche Anziehung auf junge Arbeitnehmer aus.  Google, Facebook, Amazon und Co. gelten weltweit als die attraktivsten Arbeitgeber für Berufseinsteiger. Wir jungen Leute wollen wie Epstein für Unternehmen arbeiten, dass Millionen von Menschen erreicht und wo ich mit meiner Arbeit das Leben meiner Freunde berühre. Wir benutzen all diese Produkte und Plattformen und wissen, dass die halbe Welt sie benutzt. Zudem wissen wir, dass Unternehmen wie Google sich in einer Position befinden, die besten und intelligentesten Bewerber einzustellen. Da wir eh davon ausgehen mindestens 12 Stunden am Tag zu arbeiten, muss ein Teil unseres Lohns die Anerkennung für die Marke, die auf unserer Visitenkarte steht, sein. Jeder, der auf diese Karte gucken wird weiß, dass mein Arbeitgeber großartig ist – und damit auch ich.

Und weil wir den Job unbedingt wollen, schreien es notfalls auf einer Website in die ganze Welt hinaus. Suchen uns Strategien, die besonders sind, personalisieren bis ins Extremste,  machen uns selbst zur Marke.

Die gleiche Strategie gilt allerdings auch für die Unternehmensseite. Die Firmen wollen gar nicht seriös wahrgenommen werden, sondern brechen alle Stil- und Werbegesetze, wie der  aktuelle Twitter-Werbespot zeigt:

Ein Recruitingvideo das so schlecht ist, dass es einen schon wieder glücklich macht. Ja, jetzt möchte ich – genauso wie den Kommentaren zufolge der Rest der Internetcommunity – auch ein Twitter-Vogel werden. Piep, piep.

Die Marke Epstein hat funktioniert. Die Marke Twitter funktioniert sowieso –zumindest im Moment. Beide sind cool, beide sind witzig, für beide sind persönliche Videos genau das richtige – das zeigen nicht nur die Klickzahlen bei Youtube.

Aber Achtung, der Coolnessfaktor ist ein ganz schmaler Grat und nicht nur weil Videobewerbungen gerade modern sind, sind sie per se gut. Da kann man sich sehr schnell die Finger verbrennen und sich zum Gespött der Onlinecommunity machen, wie dieser junge extrem glattrasierte Herr, der in Sachen Selbstvermarktung unterwegs war:

Denn: Seine eigenen Initialen – auch wenn man drei Vornamen hat – sind noch lange keine Marke, übertriebene Gestik kein Verkaufsargument und eine nicht scharf eingestellte Kamera macht noch lange nicht neugierig.

Mich persönlich unterhalten diese öffentlichen Bewerbungsformen, egal welcher Qualität. Da ich aber mein eigenes hämisches Gelächter dabei kenne, belasse ich es erst einmal bei einer klassischen Bewerbungsmappe mit Lebenslauf und Foto – und das definitiv ohne Schnurrbart.

The post Haarige Bewerbungen (by a very special guest) appeared first on Garbers Gazette.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 2

Latest Images

Trending Articles





Latest Images